Windenergie braucht Planungssicherheit
Belange der Natur beachten
Der NABU Thüringen fordert das Chaos beim Windkraftausbau zu beenden und die Raumordnungspläne für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie endlich fertig zu stellen. Mehr →
15. Dezember 2023 - Sowohl eine drastische Reduktion des Energieverbrauchs als auch die Energiewende sind für einen wirkungsvollen Klimaschutz und damit zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von uns Menschen unerlässlich. Wollen wir allerdings die Klimaaufheizung abmildern und die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits erreichen, zu dem sich Deutschland selbst verpflichtet hat, geht das nur mit noch mehr Naturschutz. Denn Klimaschutz ist Auenschutz, ist der Schutz unserer Feuchtgebiete, ist Meeresschutz, ist der Schutz unserer Wälder, ist Moorschutz und letztendlich auch Artenschutz.
Vor allem beim Ausbau der Windenergie hält es der NABU Thüringen für unerlässlich, dass Klimaschutz und Naturschutz sowie Artenschutz konsequent zusammengedacht und naturverträgliche Lösungen gefunden werden müssen. Denn obwohl die Windenergie eine große Rolle bei der Energiewende und dem Eindämmen der Klimakrise spielt, ist sie selbst nicht konfliktfrei, wenn es um die Ausgestaltung vor Ort geht. Bei der konkreten Planung stellt sich häufig die Frage, wie Klimaschutz und lokaler Naturschutz sowie Artenschutz zu vereinbaren sind. Aufgrund der Gleichzeitigkeit von Klimakrise und Artensterben kann es bei dieser Frage kein Entweder-oder geben.
Da im Wesentlichen der Standort über die Naturverträglichkeit entscheidet, ist die Festsetzung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung im Sinne einer Positivplanung mit Ausschlusswirkung für alle anderen Landschaftsbereiche vor allem auf Ebene der Landes- und Regionalplanung unerlässlich. Bei der Flächenverfügbarkeit spielen naturschutzfachliche Anforderungen und Restriktionen mit Blick auf den Erhalt von geschützten Arten und Lebensräumen eine zentrale Rolle.
Der NABU Thüringen legt in dieser Position dar,
1. Räumliche Steuerung des Windenergieausbaus stärken
Für den NABU Thüringen sind die Landes- und Regionalplanung das geeignete Instrument zur effektiven Steuerung der Windenergienutzung in Thüringen. Durch die Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung können insbesondere der Natur- und Artenschutz ebenso wie weitere Nutzungsinteressen konsequent und frühzeitig berücksichtigt und dadurch Konflikte im Rahmen konkreter Genehmigungsverfahren minimiert werden. Nach einem standardisierten Untersuchungskonzept sind potentielle Windenergie-Standorte hinsichtlich der wichtigsten Fragen zur ökologischen Wertigkeit der Flächen und zu möglichen Konflikten mit dem Naturschutz auf regionaler Ebene vorzuprüfen.
Die räumliche Steuerung des Windenergieausbaus muss an dem Aspekt der Naturverträglichkeit ausgerichtet werden. Eine Ausweisung von 2,2 % der Fläche des Freistaates Thüringen für den Ausbau der Windenergie auf Grundlage von Natur- und Artenschutzkriterien unterstützt und begleitet der NABU Thüringen. Sie sollte schnell und konsequent bei gleichzeitiger Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange umgesetzt werden.
Grundsätzlich sollte sich die Flächenkulisse an Land zunächst auf stark vorbelastete Flächen konzentrieren. Um einen Ausschluss sensibler Gebiete zu unterstützen, ist es aus Sicht des NABU Thüringen erforderlich, die Flächenpotenziale an anderer Stelle zu heben, z. B. durch die Abschaffung pauschaler Abstände zu Wohnbebauungen.
2. Ausschluss naturschutzfachlich sensibler und besonders konfliktreicher Gebiete vom Ausbau
Aus Sicht des NABU Thüringen ist es unerlässlich, dass im Rahmen der räumlichen Steuerung sensible und besonders kritische Bereiche vom Ausbau der Windenergie ausgeschlossen werden. Hierzu gehören mindestens die nach den Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen und dem bundesnaturschutzrechtlichen Schutzzweck nicht infrage kommenden Gebiete (vgl. BNatSchG §§ 23 ff.):
Darüber hinaus ist in den folgenden Gebieten aus Sicht des NABU Thüringen ebenfalls ein Ausbau der Windenergie abzulehnen, selbst wenn laut Bundesnaturschutzgesetz und den Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen unter Berücksichtigung des Schutzzwecks teilweise ein Ausbau der Windenergie erfolgen könnte:
Erhöhte Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz sind weiterhin beim Ausbau in Wäldern zu erwarten, insbesondere
Bei Waldstandorten geht der NABU Thüringen davon aus, dass sich eine Windenergienutzung angesichts der ökologischen Beeinträchtigungen des Waldinnenklimas durch die notwendigen Baumfällungen, Wegebau und Netzanbindung sowie aufgrund des Tötungsrisikos für Vogel- und Fledermausarten in vielen Fällen nicht rechtfertigen lässt. Neben der naturschutzfachlichen Wertigkeit des Ökosystems Wald kommt in vielen Regionen auch der Erholungsfunktion dieses Lebensraumes eine besondere Bedeutung zu.
3. Vereinheitlichung von Verfahren und gemeinsame Standards
Verzögerungen beim notwendigen Ausbau der Windenergie entstehen an vielen Stellen durch fehlende bundesweite Standards und die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Folgende Bereiche bedürfen daher dringend einer Überarbeitung und Konkretisierung:
Umweltverträglichkeitsprüfung
Um juristische Konflikte wegen der Frage zu vermeiden, ob in einem Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hätte durchgeführt werden müssen, sollte eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung bereits ab der ersten, eine vollständige UVP ab drei geplanten oder im Verbund entstehenden Anlagen durchgeführt werden. Darüber hinaus sollten Windenergieanlagen nicht über vereinfachte Verfahren gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigt werden können.
Gutachtenqualität
Um Konflikte um die Qualität von Gutachten zu verringern, müssen einheitliche Standards hinsichtlich des Untersuchungsumfangs, der zu untersuchenden Arten, der Berücksichtigung von Summationseffekten und der Bewertung der Ergebnisse verbindlich festgelegt werden. Die Genehmigungsbehörden müssen einen Pool an Gutachter*innen aufbauen, welche diese Standards in Form eines Akkreditierungsverfahrens einhalten und als Gutachter*innen infrage kommen. Jegliche bestehenden und zukünftigen Standardisierungen müssen auf Grundlage wichtiger Fachstandards, z.B. des avifaunistischen Fachbeitrags zur Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) in Thüringen, der Arbeitshilfe zur Berücksichtigung des Fledermausschutzes bei der Genehmigung von Windenergieanlagen in Thüringen und des Helgoländer Papiers, festgelegt werden. Außerdem müssen eine hinreichende Aktualität und Plausibilität der verwendeten Datengrundlage gewährleistet werden.
Prüfungsebenen
Generell muss sichergestellt werden, dass die artenschutzrechtlichen und umweltschutzrechtlichen Belange hinreichend vertieft geprüft und berücksichtigt werden. Genehmigungen, die auf mangelhaften Prüfungen beruhen oder auf nicht mehr aktuellen Daten basieren, egal, ob auf Ebene der Raumplanung oder der Genehmigung, lehnt der NABU ab.
4. Schutz von Individuen und gesunden Populationen
Eine ausschließliche Betrachtung der Populationsebene, indem Windparks nur mithilfe der artenschutzrechtlichen Ausnahme geplant und genehmigt werden, wird weder dem Natur- und Artenschutz noch der FFH- und EU-Vogelschutzrichtlinie noch dem Anspruch an einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie gerecht. Die artenschutzrechtliche Ausnahme
Der Betrieb der Anlagen kann durch Nebenbestimmungen in der Genehmigung, beispielsweise durch die Abschaltung der Anlagen während bestimmter Zeiten hoher Aktivitäten einzelner windenergiesensibler Vogel- oder Fledermausarten, begrenzt sein. Anders sieht es vielfach bei Altanlagen aus, die nicht mit Abschaltzeiten beauflagt sind. Aufgrund der hohen Betroffenheit von Fledermäusen müssen Abschaltzeiten den Standard darstellen und dürfen nicht pauschal aufgrund des Erreichens festgelegter Schwellen, z. B. der Zumutbarkeitsschwelle, eingeschränkt werden. Darüber hinaus ist es notwendig, dass es bundeseinheitliche Vorgaben anhand wissenschaftlicher Standards für Art und Umfang der Voruntersuchungen und begleitenden Monitorings gibt. In Thüringen sind die Empfehlungen des avifaunistischen Fachbeitrages und der Arbeitshilfe zum Fledermausschutz anzuwenden. Aufgrund der sich verändernden klimatischen und landschaftlichen Bedingungen, welche ebenfalls Auswirkungen auf die Verbreitung und Aktivitäten von Vogel oder Fledermausarten haben, ist eine regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls nachträgliche Anpassung der Abschaltzeiten für die gesamte Betriebsdauer der Anlagen notwendig. Dazu kann auch die zentrale Funddatei über Anflugopfer an WEA (Schlagopferdatei) der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg herangezogen werden. Von der Möglichkeit der nachträglichen Anordnung von Abschaltzeiten ist bei Betroffenheit von Fledermäusen Gebrauch zu machen und das Vollzugsdefizit in diesem Bereich zu verringern. Die Einhaltung der Nebenbestimmungen gilt es über ein Monitoring zu dokumentieren und diese Daten auf Anfrage auch den Verbänden und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen bzw. in eine der Öffentlichkeit zugängliche, allgemeine Datenbank zu überführen. Das fördert wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und ermöglicht ein Nachsteuern, wenn Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen nicht funktionieren. Grundsätzlich ist die Unterstützung wissenschaftlicher Forschung über entsprechende Nebenbestimmungen der Genehmigung zu erleichtern.
Unabhängig davon müssen Populationen durch wirksame und langfristig angelegte Artenhilfsprogramme gestärkt werden.
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